herzlich willkommen zu diesem Beitrag, der mir sehr am Herzen liegt. Das Thema Zucht ist komplex und faszinierend zugleich, aber es trägt auch eine riesige Verantwortung mit sich. Dieser Leitfaden soll eine Hilfestellung für jeden sein, der sich mit dem Gedanken trägt, Degus zu züchten, oder seine bestehende Zucht noch verantwortungsvoller gestalten möchte.

Ich möchte euch hier eine Brücke bauen: Anfängern soll dieser Text den Weg ebnen und aufzeigen, was alles dazugehört. Gleichzeitig soll er für erfahrene Züchter eine Stütze sein, um Wissen aufzufrischen, sich auszutauschen und die eigene Zucht zu reflektieren. Denn am Ende haben wir alle ein gemeinsames Ziel: gesunde, langlebige und charakterfeste Degus.
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Teil 1: Für Anfänger – Die ersten Schritte in eine verantwortungsvolle Zucht
Du spielst mit dem Gedanken, Nachwuchs für deine Degus zu planen? Das ist ein aufregender Gedanke! Bevor du diesen Weg einschlägst, lass uns gemeinsam über die Grundlagen sprechen.
1. Die wichtigste Frage: Warum möchtest du züchten?
Die Antwort auf diese Frage ist der Grundstein für alles Weitere. Eine Zucht sollte niemals aus einer Laune heraus oder aus finanziellen Interessen gestartet werden. Ethisch und verantwortungsvoll ist eine Zucht nur, wenn das Ziel die Erhaltung und Verbesserung der Gesundheit, des Charakters und der Langlebigkeit der Tiere ist. Es geht darum, der Art etwas Gutes zu tun, nicht darum, „süße Babys“ zu produzieren.
2. Die Grundvoraussetzungen – Was du unbedingt brauchst
- Wissen: Du musst dich intensiv mit der Genetik, der Haltung, der Ernährung und den Krankheiten von Degus auskennen. Besonders die Genetik ist entscheidend, um Erbkrankheiten wie Katarakte (Linsentrübung) oder den tödlichen Letalfaktor bei bestimmten Farb-Verpaarungen (z.B. Schecke x Schecke) zu vermeiden.
- Platz: Eine Zucht braucht Platz. Du benötigst mindestens ein separates Gehege für die trächtige Mutter und später die Aufzucht der Jungen. Auch eine Möglichkeit zur Geschlechtertrennung muss vorhanden sein, da die Jungtiere früh geschlechtsreif werden.
- Geld: Eine Zucht ist ein teures Hobby. Tierarztkosten für Vorsorgeuntersuchungen oder im Notfall (z.B. Kaiserschnitt), hochwertiges Futter, größere Gehege und Zubehör – all das kostet Geld. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Jungtiere decken diese Kosten in der Regel nicht.
- Zeit: Die Beobachtung der Tiere, die tägliche Versorgung, die Gewichtskontrolle der Jungtiere und die intensive Sozialisierung fordern viel Zeit und Engagement.
- Ein Notfallplan: Was tust du, wenn die Mutter bei der Geburt stirbt? Hast du die Möglichkeit, die Jungen alle zwei Stunden mit der Hand aufzuziehen? Kennst du einen degu-erfahrenen Tierarzt, der im Notfall erreichbar ist?
Nicht jeder Degu ist für die Zucht geeignet. Deine Zuchttiere sollten:
- Absolut gesund sein: Keine chronischen Krankheiten, keine Zahnprobleme, keine Anzeichen von Erbkrankheiten.
- Einen gefestigten Charakter haben: Zutrauliche, neugierige und sozialverträgliche Tiere geben diese Eigenschaften oft an ihren Nachwuchs weiter.
- Aus bekannten Linien stammen: Du musst sicher sein, dass die Elterntiere nicht miteinander verwandt sind, um Inzucht zu vermeiden.
- Das richtige Alter haben: Eine Häsin sollte nicht vor dem 6. Lebensmonat und nicht älter als 2-3 Jahre bei ihrem ersten Wurf sein.
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Teil 2: Für Fortgeschrittene & Züchter – Die Zucht optimieren und vertiefen
Du bist bereits mit den Grundlagen vertraut und hast vielleicht schon erste Erfahrungen gesammelt? Super! Dann lass uns tiefer in die Materie eintauchen, um deine Zucht noch professioneller und nachhaltiger zu gestalten.
1. Verpaarungsplanung und Zuchtziele definieren
Eine gute Zucht hat immer ein klares Ziel. Willst du besonders robuste und gesunde Linien festigen? Legst du Wert auf einen besonders freundlichen Charakter? Oder arbeitest du (verantwortungsvoll!) an einer bestimmten Farbe?
- Genetik verstehen: Beschäftige dich intensiv mit dominanten und rezessiven Genen. Verstehe, welche Farben und Merkmale wie vererbt werden und welche Risiken es gibt (z.B. der Zusammenhang von Schecken-Gen und Taubheit).
- Zuchtbuch führen: Ein Zuchtbuch ist unerlässlich. Hier dokumentierst du Stammbäume, Wurfdaten, Gewichts- und Gesundheitsentwicklungen, Charaktereigenschaften und die Abgabe der Jungtiere. Nur so behältst du den Überblick und kannst fundierte Entscheidungen für zukünftige Verpaarungen treffen.
- Outcrossing: Bringe regelmäßig "frisches Blut" in deine Zucht, indem du Tiere aus komplett fremden, gesunden Linien integrierst. Das stärkt den Genpool und beugt Inzuchtdepressionen vor.
In dieser Phase ist deine Beobachtungsgabe und dein Fingerspitzengefühl gefragt.
- Ernährung der Mutter: Eine trächtige und säugende Häsin hat einen erhöhten Bedarf an Kalzium, Proteinen und Energie. Passe das Futter entsprechend an (z.B. durch hochwertige Saaten, Kräuter und ggf. spezielles Zuchtfutter).
- Stress vermeiden: Sorge für eine ruhige und stabile Umgebung. Stress kann zu Komplikationen führen.
- Geburtsüberwachung: Sei auf die Geburt vorbereitet, aber störe nicht unnötig. Greife nur ein, wenn es offensichtliche Probleme gibt.
- Kontrolle des Wurfs: Kontrolliere das Nest täglich, aber behutsam. Wiege die Jungtiere regelmäßig (am besten zur gleichen Zeit), um sicherzustellen, dass alle zunehmen und von der Mutter versorgt werden.
- Sozialisierung: Ab der 2.-3. Woche kannst du beginnen, die Jungtiere vorsichtig an die Hand zu gewöhnen. Eine gute Sozialisierung ist die Basis für ein zutrauliches Wesen im neuen Zuhause.
Deine Verantwortung endet nicht mit der Aufzucht. Ein gutes Zuhause für deine Schützlinge zu finden, ist der letzte, entscheidende Schritt.
- Früheste Abgabe: Gib die Jungtiere niemals vor der 6. Lebenswoche ab, besser ist die 8. Woche. Sie benötigen diese Zeit für die soziale Prägung durch Mutter und Geschwister.
- Geschlechtertrennung: Trenne die Böckchen rechtzeitig (spätestens mit 6 Wochen) von Mutter und Schwestern, um unerwünschten Nachwuchs zu verhindern.
- Die neuen Besitzer prüfen: Führe Gespräche mit Interessenten. Erkundige dich nach dem zukünftigen Gehege, der Ernährung und dem Wissen über Degus. Gib deine Tiere nur ab, wenn du ein gutes Gefühl hast.
- Schutzvertrag: Ein Schutzvertrag regelt die Bedingungen der Abgabe, sichert das Wohl des Tieres und gibt dir ein Vorkaufsrecht, falls die neuen Besitzer das Tier nicht mehr halten können.
- Bleib Ansprechpartner: Biete den neuen Besitzern an, dass sie sich bei Fragen oder Problemen jederzeit an dich wenden können.
Schlusswort & Appell an die Gemeinschaft
Wie ihr seht, ist eine verantwortungsvolle Zucht eine Aufgabe, die viel Herz, Hirn und Engagement erfordert. Sie ist eine wunderbare Möglichkeit, sich intensiv mit diesen tollen Tieren zu beschäftigen, aber der Respekt vor dem Leben muss immer an erster Stelle stehen.
Ein abschließender Appell an alle (zukünftigen) Degu-Halter:
Bevor ihr euch für neue Degus entscheidet, zieht bitte IMMER die Option vor, Tieren ein Zuhause zu geben, die es am dringendsten brauchen. Die Tierheime und Notstationen sind voll von wundervollen Degus, die auf eine zweite Chance warten.
Unsere empfohlene Reihenfolge bei der Suche nach neuen Mitbewohnern ist:
- Tierheime, Notstationen und anerkannte Tierschutzvereine.
- Tiere, die aus privaten, belegbaren Notfällen ein neues Zuhause suchen.
- Ein seriöser, verantwortungsvoller Züchter, der euch mit Rat und Tat zur Seite steht.
- Als allerletzte Option, wenn alles andere ausgeschöpft ist: ein Zoofachgeschäft, wobei hier die Herkunft der Tiere oft unklar ist.
Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt.

Liebe Grüße,
Patrick
